08.Februar 2020

Zeitungsartikel von ”Holger Hagemeyer’s T-Shirt Geschichten” – 06.01.2020

T-Shirts erzählen vom Frühstück in Paris

Niebuhrg-Chef Holger Hagemeyer gibt mit den T-Shirt Geschichten an drei Abenden vom 10. Bis 12. sein Bühnendebüt. New York bahnte ihm den Weg von der Gebäudereinigung zum Showbiz.

 

Man könnte meinen, im Foyer des Theaters an der Niebuhrg wäre großer Waschtag: An guten, alten Holzklammern hinter der kleinen Bühne des wohnlichen Raums hängen T-Shirts aus aller Welt. Und dann sagt Holger Hagemeyer auch noch, er bräuchte, wenn ihm danach sei, „mehrere Monate keine Wäsche waschen“ – so groß ist der Bestand des entschlossenen T-Shirt-Trägers.

Die Geschichte des T-Shirts beginnt vor über hundert Jahren mit der US-Marine, die das weiße Hemd mit den kurzen Ärmeln und dem runden Halsausschnitt anno 1913 an ihre Seeleute ausgab. Dank Marlon Brando und seiner Auftritte in „Endstation Sehnsucht“ wurde das maritime Unterhemd zur Mitte des 20. Jahrhunderts bald stadtfein.

Für den Chef der Niebuhrg beginnt die bald 44-jährige Ära seiner T-Shirt-Geschichten anno 1976, als er, frischverliebt, seinen persönlichen Look von Schlaghosen und großkragigen Hemden umkrempelte. Seitdem hat sich vieles angesammelt – an T-Shirts und an Geschichten. Der 61-Jährige bringt sie zusammen in seinem Bühnendebüt namens „T-Shirt-Geschichten“. Die Premiere steigt am Freitag, 10. Januar, an der Seite der – wesentlich jüngeren, aber deutlich bühnenerfahreneren – Nina Barton.

 

„Tu etwas, das du noch nie gemacht hast“

Denn seit einem Vierteljahrhundert lebt Holger Hagemeyer zwar für die Bühne: als Theaterleiter, Regisseur, Autor und Bühnenbildner. Aber er stand noch nie – jedenfalls nicht vor Publikum – auf jenen Brettern, die die Welt bedeuten. „Dieses Programm mache ich jetzt für mich“, betont der Niebuhrg-Chef. Er hat zwar für sein Theater längst auch langen Atem bewiesen – will aber immer wieder etwas Neues anfangen: „Tu etwas, das du noch nie gemacht hast“, lautet seine Selbst-Aufforderung. Und dieses Tun sollte eben nicht damit aufhören, den Wäscheschrank voller T-Shirts aufzuräumen.

Das Prinzip des bekehrten Bügelhemden-Trägers: „Ich trage nur Shirts von Orten, wo ich auch selber war.“ Mitbringsel von Freunden aus exotischen Orten zählen nicht – Hagemeyers waren selbst erst im November in Indien. Schließlich sind die textilen Gespinste aus pflegeleichter Baumwolle, aufgereiht an ihrer Wäscheleine, nur die Ausgangspunkte, um den Niebuhrg-Chef erzählen zu lassen. Und dass dieser Selfmademan trotz seiner bedächtigen Aura schwungvoll erzählen kann, dürfte wohl jeder glauben, der schon mal einen bunten Niebuhrg-Abend erlebt hat.

 

„Ich lache doch“ – „Ich bin nicht griesgrämig“

„Whatsapp war damals analog“, so schlüpft Hagemeyer in sein ältestes T-Shirt mit dem Eiffelturm als Motiv. Aus der Eckkneipe Uhlenbrock ist die Gang um den damals 18-Jährigen mehr als einmal abends spontan aufgebrochen: „Lass uns zum Frühstücken nach Paris fahren!“ Die Autos parkte man vor der Polizeiwache, stellte sich gut mit den Flics, stürmte das nächste Bistro – und übernachtete unter einer der Seine-Brücken. Heute wären die Uniformierten wohl die ersten, die solches Benehmen unterbunden hätten. Damals war Paris legerer – und auch nur 555 Kilometer entfernt.

Vor einem zweistündigen Monolog wäre dem Bühnen-Debütanten vielleicht doch etwas bange – also kommt immer wieder Nina Barton aus dem Niebuhrg-Ensemble ins Spiel: mit Chansons, Schlagern und Evergreens aus der jeweils passenden Weltgegend. Ausgenommen wohl nur das „Dienst T-Shirt“, von dem der Chef-Niebuhrger ein doppeltes Dutzend, auch als Sweatshirts und Polohemden besitzt: „Ich lache doch“ gilt all jenen, die Hagemeyers Alltagsgesicht missverstehen. Seine Mimik erscheint manchen Menschen wohl zu sparsam, aber der 61-Jährige versichert glaubwürdig: „Ich bin nicht griesgrämig.“

Begleitet von Frank Sinatras „New York, New York“ und einem textilen Schätzchen anno 1994 hört das Publikum der T-Shirt-Geschichten von der Niebuhrg-Werdung: Denn es war eine Woche im „Big Apple“ und zehn Shows in kleinen Theatern „off Broadway“, die den damals 37-jährigen Chef eines Reinigungsunternehmens überzeugten: „Das will ich auch machen!“

 

Vom Sarajevo-Shirt bis zum Tivoli-Leibchen

Natürlich hörte er damals immer wieder den unerbetenen Rat, bei seinen Leisten zu bleiben: „Du bist Putzfrau, du hast keine Ahnung.“ In diesem Sinne ahnungslos brachte er sein Musical „Tarot“ auf die Bühne, entdeckte so das große Talent der jungen Essenerin Florence Kasumba – und hat den „Tarot“-Dauerbrenner erst vor Jahresfrist auch als „Theaterfilm“ in die Essener Lichtburg gebracht. Holger Hagemeyer hat viel zu erzählen. Genug, um sein Programm an jedem der drei Abende zu variieren – vom Sarajevo-Shirt bis zum bunten Leibchen aus Kopenhagens Tivoli.

 

Von Ralph Wilms

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